Test: Canyon Spectral AL 5.0 EX

Canyon ist für das Mountainbike ein bisschen wie Apple: cooles Design, coole Innovationen. Durch seine kundenfreundliche Preispolitik hebt sich Canyon aber deutlich vom kalifornischen Technik-Riesen ab. Wir haben uns ein besonderes Modell mal genauer angeschaut.

Gewichtstuning bis ins letzte Detail, Carbonrahmen und -parts und Technologien, bei denen einem Einsteiger schwindelig wird – der Gravity-Markt bietet mittlerweile eine unglaubliche Vielzahl an qualitativ extrem hochwertigen und teuren Bikes. Oft wird dabei aber vergessen, dass man auch mit günstigen Rädern enorm viel Spaß haben kann, und aus diesem Grund haben wir uns das Canyon „Spectral AL 5.0 EX“ bestellt. Wieviel kann man von einem gerade mal 1999 Euro teuren Bike heutzutage noch erwarten? Wir haben es für euch herausgefunden und das Einstiegsmodell über die Trails bewegt!

Fixes Bike zum vernünftigen Preis: das Canyon Spectral AL 5.0 EX. Mit einer integrierten Kabelführung für Schaltzug und Sattelstütze und einem überarbeiteten, gradlinigerem Design macht es nicht nur optisch eine richtig gute Figur. Auch der schraubbare Kettenstrebenschutz macht einiges her. Zudem wiegt der Rahmen in Größe M laut Hersteller gerade einmal 2570 Gramm.

Unsere Testeinstellungen

Reifendruck vorne 2,0 Bar, hinten 2,2 Bar
Gabel 100 psi, 6 Klicks Zugstufe, Kompression offen
Dämpfer 185 psi, 12 Klicks Zugstufe, Kompression offen

Allgemein

Das Canyon „AL 5.0 EX“ nimmt in der „Spectral“ Modellreihe den Platz des Einstiegsmodells ein und ist somit preislich sehr attraktiv. Vor allem für Anfänger sollte dieses Modell interessant sein, wobei es auch noch jede Menge weitere Ausstattungsvarianten von diesem Rad gibt. Das absolute Topmodell stellt das „CF 9.0 EX LTD“ dar, welches mit seinem brutal leichten Carbonrahmen mit 5999 Euro zu Buche schlägt. Aber zurück zu unserem Testrad im Einstiegsbereich. Wir haben eins in Größe M bekommen, und genau als solches hätten auch wir es klassifiziert, denn es wirkt recht kompakt. Mit 179 cm Körpergröße ist es für mich an der Grenze und hätte auf keinen Fall kleiner sein dürfen. Ein Blick auf die Geometrietabelle bestätigt unseren Eindruck - 430 mm Reach stehen zur Verfügung. Das Rad ist allerdings auch in Größe L und XL erhältlich, wobei beim XL Rahmen ein Reach von 480 mm auch für sehr große Fahrer ausreichen sollte. Der Lenkwinkel ist für ein Trailbike dieser Klasse typisch und ist mit 66,4° weder zu steil, noch zu flach und lässt uns schon vor der ersten Fahrt Trailspaß erahnen. 74,5° Sitzwinkel positionieren einem beim Pedalieren schön über dem Tretlager, so dass man die Kraft gut auf die Pedale übertragen kann und so ordentlich Vortrieb generiert.
Gefahren sind wir das Rad ausgiebig auf diversen Endurorunden im Sauerland, im Trail- und Bikepark Winterberg sowie im Warsteiner Bikepark. Für abwechslungsreiches Test-Terrain war also mehr als gesorgt. Vom lockeren All Mountain Trail bis hin zur kernigen Northshore Line mit Airtime haben wir dem „Spectral“ alles abverlangt, was ein Gravity-orientiertes Trailbike unserer Meinung nach einstecken können muss. Wie es abgeschnitten hat, erfahrt ihr ein wenig weiter hinten hier im Test, allerdings werfen wir zunächst noch einen Blick auf die Partliste, denn auch diese kann sich mehr als sehen lassen.

Gutes muss nicht teuer sein: am Canyon findet sich unter anderem ein (wenn auch minimalistisches) FOX-Fahrwerk.

Die Parts

Wir alle wissen, dass knapp 2000 Euro im Bike-Business keine große Nummer sind, und umso erstaunter waren wir, als wir das „Spectral“ genauer unter die Lupe genommen haben. Im schicken Aluminiumrahmen erwarten euch nämlich ein Fox Fahrwerk mit „Rhythm 34 Float“ Gabel und „Float DPS LV EVOL“ Dämpfer, die beide mit ihren Luftkammer optimal auf die Berdüfrnisse des Fahrers abgestimmt werden können. Bei der Gabel steht zudem natürlich die Zugstufe und ein Kompressionshebel zur Verfügung. Low- und Highspeed-Kompressions-Knöpfe sucht man vergeblich, wobei das in dieser Preiskategorie auch völlig normal ist und vor allem ein Einsteiger, an den dieses Bike gerichtet ist, mit diesen Funktionen in der Regel sowieso überfordert ist. Beim Dämpfer sieht es ähnlich aus, und so stehen dort die Zugstufe und ein Hebel für die Kompression bereit, mit dem sich der Hinterbau nahezu blockieren lässt. Das Fahrwerk lässt sich also mit wenigen Handgriffen einstellen und ist so auch für Einsteiger kein Buch mit sieben Siegeln.
Als Antrieb liefert das „Spectral“ keine Einstiegsschaltung, wie man es eventuell vermuten würde, sondern bedient sich der Sram „GX“ Serie und unterstreicht erneut, dass Gutes nicht zwingend teuer sein muss. Schaltpräzision und Robustheit auf höchstem Niveau lassen euch hier immer den passenden Gang finden. Davon stehen euch im Übrigen elf zur Verfügung, mit einer Abstufung von 10-42 Zähnen. In Kombination mit dem Kettenblatt mit 30 Zähnen kommen auch nicht so fitte Fahrer mühelos die Berge hinauf. Wer irgendwann jedoch an einem Rennen teilnehmen möchte, sollte eventuell auf ein größeres Kettenblatt wechseln, da sonst im Racemodus bergab schonmal das Ende der Fahnenstange erreicht werden kann und ihr ins Leere tretet.
Kurbel und Cockpit kommen aus dem Hause Race Face und stehen ebenfalls für Qualität und eine gute Ergonomie, auch wenn uns persönlich der Lenker mit 760 mm etwas schmal erscheint, um im Downhill wirklich aggressiv zu fahren. Einen guten Job hat Canyon auch bei den Laufrädern gemacht. Nicht nur, dass hinten ein Maxxis „Minion Semi Slick“ mit laufruhigem Profil für einen geringen Rollwiderstand und der „Highroller 2“ an der Front für Grip sorgt, sondern auch, dass mit der DT Swiss „M 1850 Spline“ eine superstabile 30 mm breite Felge für Stabilität sorgt. Vor allem Einsteiger werden diese zu schätzen lernen, wenn sie ihre ersten Sprungversuche gegen, statt in die Landung fahren. Letztlich werfen wir noch einen Blick auf die Bremsen, denn auch hier geht Canyon keine Kompromisse ein und spendiert dem „Spectral“ eine hydraulische Sram „Guide R“ Scheibenbremse mit 200/180 mm Bremsscheiben und einer werkzeuglosen Griffweitenverstellung. 
Wir lehnen uns sicherlich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn wir sagen, dass die Partliste in Bezug auf den Preis von 1999 Euro sensationell ist.

Fotofahrer Fabian Hesse hatte auf dem Canyon genauso viel Spaß wie wir. Hier seht ihr ihn auf dem Flowtrail im Bikepark Winterberg.

Unser Testeindruck

Wie wir es von diversen Canyon Tests gewohnt sind, positioniert das Rad einen sehr zentral. Man bekommt gleichermaßen Druck auf das Vorder- und Hinterrad, was in einer hohen Kontrolle über das Bike resultiert. Schon auf dem ersten Trail fühle ich mich auf dem Canyon „zuhause“ und habe nicht das Gefühl, ein gänzlich unbekanntes Rad unter mir zu fahren. Es ist sehr verspielt, enge Kurven liegen dem „Spectral“ besonders – und davon gibt es auf den ersten Trails jede Menge. Mit viel Spaß und vor allem einer hohen Geschwindigkeit schieße ich das Canyon von rechts nach links und wieder zurück. Durch die zentrale Position und den mit 430 mm Kettenstreben kurzen Hinterbau kann man den vollen Schwung durch die Kurve mitnehmen und katapultiert sich förmlich heraus. Vor allem auch im Bikepark Winterberg mit vielen gebauten Anliegern auf der „Flowtrail“ und „Freeride“ Strecke bringt das einfach nur Freude. In Anbetracht der Tatsache, dass dies vermutlich auch Strecken sind, die ein Einsteiger fahren würden, sammelt das Bike hier schon mal eine Menge Pluspunkte. Als nächstes möchte ich wissen, wie sich das Rad anfühlt, wenn es auf mit Steinen und Wurzeln zersetzen Trails an seine Grenzen gebracht wird. Ein Wurzelteppich folgt auf den nächsten, und da ich die Strecke gut kenne, lasse ich ordentlich laufen. Erstaunlicherweise kommt das Fahrwerk gut mit, und ich habe nicht das Gefühl, selbiges zu überfordern. Der Hinterbau spricht sensibel an und liefert zum Federwegsende hin eine ausreichende Progression, um auch bei nicht allzu sauberer Fahrweise Sicherheit zu vermitteln. Als letztes gehe ich noch einen Schritt weiter und befördere das Canyon ordentlich durch die Luft – größere Sprünge, Landungen in Bremswellen oder Wurzelteppichen und auch der ein oder andere Drop ist mit von der Partie. Durch das agile und verspielte Fahrverhalten das Bikes gestaltet sich der Absprung sehr einfach und man hat keine große Mühe auch weitere Entfernungen zu meistern. In der Luft ist das Rad sehr ruhig und ausbalanciert - zentraler Körperposition sei Dank. Auch Einsteiger dürften hier schnell Fortschritte machen.
Lediglich, wenn es richtig rumpelt und man vergisst, dass einem nur ein Trailbike mit 140 mm Federweg zur Verfügung steht, wird das Rad leicht unruhig, was beispielsweise in einem Endurorennen zum Nachteil werden könnte. Da dieses Rad in dieser Ausstattungsvariante aber eher nicht dafür gemacht ist, gibt es auch hier absolut nichts zu meckern.
Bleibt noch über das Fahrverhalten bergauf zu berichten, welches bei günstigen Bikes in der Regel etwas in den Hintergrund gerät. Nicht aber beim Canyon, denn mittels Hebels lässt sich der Hinterbau beinahe in ein Hardtail verwandeln. Mit dieser Antriebsneutralität in Kombination mit der steilen Sitzposition klettert man mühelos die Berge hinauf. Lediglich die mechanische Teleskopsattelstütze wollte in unserem Testrad nicht hundertprozentig funktionieren und rastete nicht immer korrekt ein.

„Was Canyon zu diesem Preis auf die Beine gestellt hat, ist absolut klasse, denn das Rad liefert eine sehr gute Partliste und macht dazu noch unglaublich viel Spaß!“ – Stephan Peters

Fazit

Ihr ahnt es bereits: das Canyon „Spectral AL 5.0 EX“ hat seinen Job herausragend gemeistert, und es gibt keinen Grund, als Einsteiger hier nicht zuzuschlagen. Der Preis ist heiß, die Qualität stimmt und auch die Performance auf dem Trail wird euch ein Grinsen ins Gesicht zaubern. Well done, Canyon! Weitere Infos zum Canyon Spectral AL 5.0 EX findet ihr auf der Canyon-Homepage.

Fotos: Stephan Peters

Gepostet am 20.07.2017 von MRM |

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