Red Bull Rampage 2016 – Total abgedreht

Was bei der Formel 1 Monaco ist, ist beim Slopestyle die Red Bull Rampage – ein Mountainbike-Event der Superlative. Fahrer aus aller Welt, die eine Woche lang in der Wüste Utahs Dreck durch die Gegend karren, um sich absolut abgefahrene Lines in die roten Berge zu schneiden. Auch dieses Jahr gab es einen Fahrer, dessen Line, dessen Run einen Deut besser waren als die seiner Mitbewerber.

Roter Staub weht über eine Absprungkante und verwandelt sich in der flirrenden Hitze in eine beige Wolke. Alles was man hört sind die Boxen im Ziel, die Musik und Kommentatorengefasel über die Zuschauer verteilen. Am Berg, also unter dem Red-Bull-Bogen, der den Start markiert, herrscht unter den Fahrern angestrengte Konzentration. Ein paar lockere Sprüche, klar, aber kein richtiger Smalltalk, keine Gespräche über das Saufgelage am Abend zuvor oder Klatsch und Tratsch zu Sponsorenwechseln und Lieblingstrails. Eher Sätze wie „Probierst du die Wall?“ oder „Pass bloß auf, Mann.“ Die Red Bull Rampage ist kein Rennen wie jedes andere. Die Red Bull Rampage ist eine Klasse, eine Welt für sich. Auch 2016, zum zwölften Mal. 

Auch wenn sich dieses Mal einiges geändert hat: nur einfache Werkzeuge wie Schaufeln und ein paar Sandsäcke sind als Hilfsmittel erlaubt, jeder Rider darf seine ganz eigene Line in den Berg zimmern. Zudem sollten diesmal nur ehemalige Rider über das Hop oder Top der Rider entscheiden, nämlich Randy Spangler, Josh Bender, Geoff Gulevich, Nico Vink, Mike Kinrade und Kyle Jameson. Allein die Tatsache, dass Josh Bender bei der Rampage jurieren darf, sollte einige ältere Mountainbiker freuen. Denn wer steht mehr für den Gedanken des kompromisslosen Freeridens als Drop-Hucker Bender?

Aber bei der Red Bull Rampage geht es dieses Jahr nicht um den dicksten Jump. Nicht mal um den coolsten Trick. Es geht um eine Kombination aus alledem, aus fahrerischer Finesse, kniffliger und trotzdem flowiger Linienwahl und natürlich den gezeigten Tricks. Aber einfach nur zwanzig Meter in die Tiefe zu fallen wird hier keinen mehr einen Podiumsplatz sichern. Aber Namen wie Agassiz, Berrecloth, Zink, Semenuk, Sorge, Strait oder Doerfling stehen nicht gerade für Anfängertum, weshalb wir relativ entspannt dem Freitag entgegenblickten, der, nach vier Tagen Training, der entscheidende Tag war. 

Die Fahrer hatten jeweils zwei Runs, der beste wurde gewertet. Schon in seinem ersten Run zeigte Antoine Bizet einen Double Backflip und war bei seinem zweiten Lauf dann etwas zurückhaltender. Es reichte für den Novizen aber immerhin für den zweiten Platz. Cam Zink verschätzte sich in seinem Lauf etwas und ging hart zu Boden. Er verletzte sich am Daumen, sodass er sich entschied, den Berg nicht noch einmal zu erklimmen. „Ich war froh, nach diesem Sturz einfach aufstehen und meine kleine Familie umarmen zu können, die im Tal auf mich wartete.“

Doch er war nicht der einzige gefallene Recke: Graham Agassiz wollte einen Drop mit einem 360er nehmen, bleib hängen und stürzte schwer. Dabei brach er sich wohl die Hüfte – unsere besten Genesungswünsche sind mit ihm. Insgesamt war diese Rampage trotzdem etwas risikoärmer als vorherige: keine Holz-Obstacles, nur selbstgebaute Jumps und viele Pausen bei zu starkem Wind. 

Carson Storch lies sich davon nicht beeindrucken und nahm einen der fettesten Drops des Events mit einem sauberen 360. Das bringt ihm, überraschend aber völlig verdient, den dritten Platz ein. Brandon Semenuk fährt gewohnt sauber und kombiniert einen perfekten Flatspin, einen Backflip-Drop und einen Backflip-Cancan zu einem rasiermesserscharfen Lauf, der ihm die meisten Punkte einbringt. Andere Fahrer kommen mit ihren Lines nicht ganz so gut zurecht, verschätzen sich bei Rotationen oder kombinieren Freeride und Tricks doch nicht so, wie die Judges es sich wohl vorgestellt haben. Damit sind Semenuk, Bizet und Storch die Sieger der Rampage 2016! Semenuk sichert sich damit übrigens auch einen Platz in der Riege der Doppelsieger, nachdem er 2008 schon einmal den ersten Patz holte. Mit Kurt Sorge und Kyle Strait ist er damit in bester Gesellschaft! 

Wie könnte man die Red Bull Rampage 2016 am besten zusammenfassen? Also, abgesehen von „Brandon Semenuk gewinnt mit 84,33 Punkten und einem absolut sauberen Run!“ Vielleicht mit: Freeride ist tot, es lebe Freeride! Das ursprüngliche Mountainbiken ist wieder zurück in der Slopestyle-Weltspitze! Zusammen mit ein paar Kumpels Lines zusammenschaufeln und testen, um dann den fettesten Trick rauszuhauen; das ist doch eigentlich, warum wir früher aufs Rad gestiegen sind, oder? Keine vorgekauten (wenn auch spektakulären) Obstacles, sondern ehrlicher, handgemachter Wahnsinn. Schön, dass Red Bull das geschafft hat und schön, das wir zuschauen durften. Und, natürlich: Glückwünsche an Brandon und beste Genesungswünsche an die gestürzten Helden!

Mit Andreu Lacondeguy vorm Abendrot scheinen die Zeichen für eine zünftige Wiederholung in 2017 gut zu stehen! Ride Free...

Fotos: Boris Beyer

Gepostet am 17.10.2016 von Fy |

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